Im ersten Teil unserer Interview-Reihe mit Joe Thomas sprechen wir mit ihm über die Schlüsselmomente der Saison, die zum erfolgreichen Einzug in die Playoffs geführt haben. Er reflektiert über das letzte Spiel, die Herausforderungen zu Beginn der Saison und die Entwicklung des Teams, die ihn davon überzeugt hat, dass die Ravens bereit sind, um den Titel in der European League of Football zu kämpfen.
Blicken wir erstmal auf das Spiel am Sonntag zurück. Auf den Moment, als der Schlusspfiff ertönte und die Ravens gegen die Raiders Tirol siegten und ihren Playoff-Platz sicherten. Was ging Dir durch den Kopf? Was hast Du gefühlt?
Joe Thomas: Als der Schlusspfiff gegen die Raiders ertönte, war ich einfach nur stolz und überglücklich. Die Raiders sind einer unserer größten Rivalen, und die Art, wie wir das erste Spiel verloren haben, hat mir – und dem ganzen Team – echt zugesetzt. Obwohl die Raiders um ihre Playoff-Chance gekämpft haben, hatte ich das Gefühl, dass dieses Spiel für uns einfach wichtiger war. Man konnte schon die ganze Woche über spüren, wie sehr wir es wollten. Ich denke, wir hatten unsere beste Trainingswoche überhaupt. Ich war mir sicher, dass wir gut spielen würden – ob wir gewinnen würden, wusste ich nicht. Aber als der Schlusspfiff kam, war da einfach dieses riesige Gefühl der Zufriedenheit, dass wir unsere Aufgabe erledigt hatten.
Die Jungs, besonders in der Offensive Line, waren einfach dankbar, dass jeder seinen Teil beigetragen hat. Es fühlte sich an wie der Lohn für all die harte Arbeit, die wir während der Saison geleistet haben, und der Beweis, dass wir die Playoffs wirklich verdient haben. Meine Gefühle waren ein Mix aus Freude, Glück und ein bisschen Traurigkeit, dass die reguläre Saison vorbei war. Es war auch ein Stich im Herzen, dass meine Frau und meine Kinder nicht da waren, um das mit mir zu teilen. Aber vor allem war es pure Freude, diesen Moment mit meinen Teamkollegen zu erleben. Die Bindung, die wir nicht nur in diesem Spiel, sondern über die gesamte Saison hinweg aufgebaut haben, war etwas ganz Besonderes. Dieses Gefühl werde ich nie vergessen.
Die Saison der Ravens begann holprig, besonders gegen stärkere Gegner. Aber die letzten sieben Spiele habt ihr überzeugend gewonnen. Was hat den Schalter umgelegt?
Joe Thomas: Für uns war es einfach eine Frage der Zeit und der Erfahrung – mehr Training, mehr Spiele. Sowohl die Spieler als auch die Trainer haben begonnen zu verstehen, worin wir gut sind und was wir konstant auf hohem Niveau umsetzen können. Ich komme ja aus der NFL, wo das Spiel ganz anders läuft. In der ELF geht es viel mehr zu wie im College-Football, mit offenen Spielzügen, laufstarken Quarterbacks und Spread-Konzepten. Unser Offensive Coordinator, Kyle Callahan, und ich brauchten etwas Zeit, um unsere Ideen zu verbinden und den besten Plan für unser Team zu finden. Es ging nicht nur darum, den richtigen Mix aus NFL- und ELF-Strategien zu finden, sondern darum, herauszufinden, was speziell für die Ravens am besten funktioniert.
Sobald wir unseren Rhythmus gefunden hatten, gaben uns die Erfahrungen und die Erfolge, auch wenn es gegen Teams ohne positiven Record war, das nötige Selbstvertrauen. Vor dem letzten Spiel der regulären Saison wussten wir, dass wir fähig und es wert waren, in die Playoffs einzuziehen. Das Nürnberg-Spiel war ein Wendepunkt – ein Weckruf, der uns dazu brachte, uns neu zu fokussieren und unseren Ansatz zu überdenken. Danach haben wir uns auf das konzentriert, was wir am besten konnten, und es hat sich ausgezahlt. Wir können gegen jedes Team in der ELF bestehen. Das Nürnberg-Spiel war der Katalysator, der uns an diesen Punkt gebracht hat.
Haben die beiden spielfreien Wochen nach dem Nürnberg-Spiel und dem Spiel in Barcelona euch geholfen, als Team zusammenzuwachsen und diese Dinge zu lernen?
Joe Thomas: Auf jeden Fall. Die spielfreien Wochen waren echt wichtig. In dieser Zeit konnten wir mal tief durchatmen und trainieren, ohne den direkten Druck der Spielvorbereitung. Coach Kendrall hat erkannt, dass wir nicht immer mehr Training brauchen, sondern manchmal einfach Teambuilding und Zeit, um als Gruppe zusammenzuwachsen. In diesen Wochen haben wir uns nicht nur auf Drills oder Spielzüge konzentriert – wir haben uns aufeinander konzentriert, auf den Aufbau von Zusammenhalt. Wir haben die Zeit genutzt, um uns besser kennenzulernen, und das hat dazu geführt, dass wir nicht mehr nur für uns selbst gespielt haben, sondern füreinander.
Diese Momente haben uns geholfen, unsere Verbindungen zu stärken, sodass wir als Einheit spielen konnten. Sobald man dieses Level als Team erreicht, kann man wirklich neue Höhen erreichen und um eine Meisterschaft kämpfen. Die spielfreien Wochen haben uns die Chance gegeben, uns neu zu fokussieren und als Team stärker zusammenzuwachsen.
Glaubst Du, dass die Ravens eine Chance haben, die European League of Football-Meisterschaft zu gewinnen?
Joe Thomas: Auf jeden Fall. Es wird nicht einfach – niemand wird sich einfach geschlagen geben, nur weil wir die Munich Ravens sind. Aber ich weiß, dass die Entschlossenheit, die Liebe zum Detail und die Disziplin, die wir im Laufe der Saison entwickelt haben, ausreichen, um das möglich zu machen.
Wir sind in dieser Saison sowohl als Einzelspieler als auch als Team enorm gewachsen. Die mentale Stärke und Widerstandsfähigkeit, die wir aufgebaut haben, werden uns durchtragen. Es geht nicht nur ums Können; es geht um die richtige Einstellung und den Willen, um jeden Zentimeter zu kämpfen. Das ist es, was mich so zuversichtlich macht, dass wir bis ganz nach oben kommen können.
Über Joe Thomas
Joe Thomas ist ein ehemaliger Erstrunden-Draft-Pick der Cleveland Browns. Er spielte elf Jahre für die NFL-Franchise und wurde in dieser Zeit zehn Mal für den Pro Bowl, das All-Star-Game der NFL, nominiert. Thomas war sechs Mal im NFL First Team All-Pro und zwei Mal im NFL Second Team All-Pro. Er wurde ins Team der 2010er Dekade gewählt und wurde 2023 in die NFL Hall of Fame aufgenommen. Als bisher einziger Spieler in der Geschichte der NFL spielte Thomas in über 10.000 aufeinanderfolgenden Spielzügen – ohne Pause oder Verletzung. Sein Rekord liegt bei 10.363 Snaps.
Foto: Munich Ravens